Frankfurt, 11.1.2022 – Das Jahr 2022 steht im Zeichen des nachhaltigen Umbaus der Wirtschaft. In den Mittelpunkt rücken dabei die Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Sie haben auf die Entwicklung hin zur Klimaneutralität ebenso wie zu einer sozial agierenden Wirtschaft einen maßgeblichen Einfluss.
»Während die Politik noch an ihrer Strategie für die Dekarbonisierung der Wirtschaft feilt, sind die Finanzmärkte schon einen großen Schritt weiter. Bereits heute fließen Milliardeninvestitionen in nachhaltige Projekte«, sagen Daniel Spitschan und Marcus Franz bei der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro. »Die Finanzindustrie ist der Motor des nachhaltigen Wandels. Sie kann sich, wenn sie ihre Rolle als Vorreiter ernst nimmt, auch gesellschaftlich neu positionieren und an Reputation gewinnen.« Welche Bedeutung Banken und Asset Manager auf dem Weg in eine nachhaltige Welt haben können, zeigen diese sieben Thesen.
1. Politik und Öffentlichkeit zwingen Banken, nachhaltig zu handeln. Der Druck steigt weiter.
Mit jeder Unwetterkatastrophe und jedem neuen Umweltskandal flammt die öffentliche Empörung erneut auf und nimmt an Schärfe zu. Die Forderung: Wirtschaftliche Interessen sollen nicht länger auf Kosten des Klimas oder einer ökologisch vertretbaren Nutzung der Ressourcen durchgesetzt werden. Über soziale Medien entfalten Gruppierungen wie Fridays for Future (FFF) innerhalb kürzester Zeit eine enorme Breitenwirkung. Die Finanzindustrie steht besonders im Rampenlicht, schließlich gilt sie als Bindeglied zwischen Unternehmen und Kunden. Auch von der Politik werden Banken verstärkt in die Pflicht genommen. Der Handlungsspielraum für die Banken wird enger, künftig werden ESG-Themen immer tiefer in ihrer DNA verankert.
2. Auch nachhaltiges Wirtschaften braucht funktionierende Finanzströme. Damit sitzen die Banken am Hebel, um erfolgreicher und unmittelbarer als der Gesetzgeber eine klimaneutrale Zukunft zu schaffen.
Banken beeinflussen über vergebene Kredite, Investitionen und Dienstleistungen die Wirtschaft eines Landes direkt. Möchte ein Unternehmen beispielsweise ein neues Werk bauen oder die Produktion umstellen, steht meist eine Bank dahinter und stellt die dafür benötigten Finanzmittel bereit. Im Rahmen dieser Partnerschaft können die Banken einen ESG-konformen Umschwung herbeiführen. Auch über die Privatkundenseite stehen Banken zahlreiche Instrumente zur Verfügung, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Beispielsweise kann Sparern die Möglichkeit eingeräumt werden, über eine sozial-ökologische Verwendung der Einlagen zu entscheiden. Diese unmittelbare Einflussnahme führt zu schnellen und direkten Verhaltensänderungen. Der Gesetzgeber agiert deutlich träger, muss er doch die Interessen verschiedener Akteure berücksichtigen. Zumal Gesetzesänderungen nur mühsam durchzusetzen sind – vor allem auf internationaler Ebene.
3. Banken finanzieren den grünen Wandel auf globaler Ebene.
Der Einfluss der Banken hört nicht an der Landesgrenze auf. Internationale Finanzierungsrunden werden künftig noch stärker auf sozial-ökologische Folgen untersucht und bewertet – und zwar bis in die hintersten Verästelungen der Lieferkette hinein. Eine nachlässige oder ESG-ignorierende Due Diligence können sich die Institute nicht erlauben. Schon heute werden deutsche Banken abgestraft, wenn sie mit Unternehmen in Verbindung gebracht werden, die in Südamerika im Regenwald roden oder fragwürdige Bergbau-Methoden in der afrikanischen Steppe anwenden. Während die Politik sich in nationale Entscheidungen anderer Staaten nicht einmischen will bzw. kann, steht den Banken hier mit international orchestrierten Finanzströmen ein sehr wirkungsvolles Steuerungsinstrument zur Verfügung.
4. Banken müssen im Kern nachhaltig denken. Sonst überleben sie nicht.
Die eigene Stiftung mit angeschlossener Kunstsammlung gehörte bislang zur klassischen Grundausstattung traditionsreicher Banken. Für die junge, nachrückende Kundengeneration sind das die Symbole einer alten Welt. Um als nachhaltig agierender Player wahr- und ernstgenommen zu werden, müssen die Institute zu einem tiefgreifenden Kulturwandel bereit sein. Die neue Statuswährung heißt nicht mehr Wolkenkratzer, sondern ESG-Glaubwürdigkeit. Zu Beginn der Corona-Pandemie bewiesen die Banken eine enorme Agilität und Anpassungsfähigkeit ihrer Arbeitsprozesse. Diesen Kraftakt gilt es jetzt in den Umbau der internen Strukturen zu überführen, und ein konzernweites ESG-Verständnis zu etablieren. Ein grünes Feigenblatt wird von Gesellschaft und Politik eher früher denn später enttarnt, Mogelpackungen haben am Markt langfristig keine Chance. Die neue Unternehmenskultur ruht auf den Grundpfeilern Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Kundenorientierung.
5. Nachhaltiges Denken ermöglicht neue Angebote über das klassische Geschäft hinaus.
Aufbauend auf dem klassischen Rendite-Risiko-Denken ermöglicht eine stärkere Gewichtung der Nachhaltigkeit einen neuen, langfristig orientierten Strategieansatz, der die verschiedensten Stakeholder einbezieht. Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre müssen genauso wie Regulierer oder Gesellschaft gleichzeitig adressiert und ernst genommen werden. Dieses Spannungsfeld bietet aber auch die einmalige Chance, das Terrain der traditionellen Bankgeschäfte um moderne Beyond-Banking-Features zu erweitern. Und um das Überleben der Bank langfristig zu sichern, heißt die Königsdisziplin der Zukunft: Neue Kundengruppen sichern! Mit Girokonto und Kundenprämie ist das nicht zu schaffen. Der Kunde von morgen erwartet von seiner Bank die Möglichkeit, Bedürfnisse schnell und kostengünstig zu erfüllen, Wünsche vorauszuahnen und Hilfestellung bei grundlegenden finanziellen Fragen – all dies in einem sozial-ökologisch korrekten Mantel.
6. Banken werden vom reinen Finanzierer zum echten Motor des Wandels.
Klimaschutz ist ein Kraftakt – gleichzeitig aber auch die Chance, Innovationspotenzial freizusetzen. In einer Unternehmenskultur, die von Kreativität und nachhaltigem Denken geprägt ist, entwickelt sich die Bank weiter von einem Finanzpartner zu einem Sparringspartner, der eine beratende Funktion bei der Zielsetzung zu einer klimaneutralen Zukunft einnimmt. Beispiel Kreditvergabe: Risikoanalysen werden erweitert um ESG-Szenarien, bei denen die Bank aktiv nicht nur auf die Einhaltung von Grenzwerten drängt, sondern dem Antragsteller auch Alternativen aufzeigt, um ökologisch nachhaltiger zu wirtschaften. Genauso kann die Bank auch aktiv auf Kunden zugehen, um Nachhaltigkeitsziele im eigenen Portfolio bzw. Kundenstamm zu erfüllen. Die Finanzwirtschaft erweitert damit ihre Rolle als Finanzierer mit der eines Nachhaltigkeits-Beraters – und widerlegt damit auch Bill Gates‘ Zitat der überflüssigen Banken.
7. Als Vorreiter des grünen Wandels gewinnen die Banken an Reputation.
Zahlreiche Bankenskandale haben das Image der Branche nachhaltig beschädigt. Vor allem der nachrückenden Kundengeneration ist die Integrität des Finanzpartners aber besonders wichtig. Denn je austauschbarer das Produkt selbst, desto wichtiger wird der Ruf bzw. der Name dahinter. Banken haben jetzt die einmalige Gelegenheit, sich als Vorreiter und moderner Erneuerer zu beweisen. Denn während die Politik von langsam mahlenden Bürokratiemühlen gebremst wird und internationale Organisationen zwischen nationalen Interessen aufgerieben werden, kann die Finanzbranche eigene Standards setzen und diese auch grenzüberschreitend durchsetzen. In dieser Rolle können sie den Ruf des Buhmanns ablegen und sich gesellschaftlich neu positionieren – mit Services und Beratungsleistungen in einer nachhaltig orientierten Wirtschaft.