In der Bankenbranche gibt es ein klares Bekenntnis für einen grünen Wandel. Rund sechs von zehn Instituten beschäftigen sich bereits intensiv mit der neuen EU-Taxonomie oder berücksichtigen das Thema in ihrer Strategie. Und in jedem dritten Institut sind die Umwelt-Richtlinien in der Beobachtungs- und Analysephase. Damit haben mehr als 90 Prozent das grüne Regelwerk auf ihrer Watchlist. Mit dem neuen Klassifikationssystem verbinden die Banken auch wirtschaftliche Hoffnungen. Allerdings stellt die rechtzeitige Umsetzung die Branche vor Herausforderungen. Das sind Ergebnisse der Studie »EU-Taxonomie: Regeln für die grüne Zukunft«, die von der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro gemeinsam mit der VÖB-Service GmbH durchgeführt wurde.
»Die Mehrheit der Banken bekennt sich zum grünen Wandel und will die Chancen aus diesem Regulierungsprojekt nutzen«, sagt Cofinpro-Vorstand Gerald Prior. »Mit der Taxonomie gibt die Europäische Union einen festen Rahmen vor, um Kapitalströme in umweltfreundliche Bahnen zu lenken und das Wirtschaftsleben nachhaltiger zu gestalten. Der Regulierer setzt dafür auch einen zeitlichen Rahmen: Ende 2021 muss Phase 1 dieses verbindlichen Klassifikationssystems umgesetzt sein.«
Der Zeitrahmen zwingt zu schnellem Handeln. Nur jeder zehnte Studienteilnehmer geht davon aus, dass die Taxonomie-Verordnung im ersten Schritt innerhalb eines halben Jahres umgesetzt werden kann, 41 Prozent avisieren einen Zeitraum von zwölf Monaten. Rund die Hälfte rechnet also damit, in Terminschwierigkeiten zu geraten.
Die Effekte aus der Taxonomie-Umsetzung bewerten die Studienteilnehmer mehrheitlich optimistisch. Neben dem erwarteten Imagegewinn für die Institute werden auch neue Kundengruppen und die Entwicklung innovativer Finanzprodukte genannt, die wiederrum zu einer Absatzsteigerung sowohl im Kredit- wie auch im Wertpapierbereich führen sollte. Die EU-Taxonomie steht damit auch im Einklang mit wirtschaftlichen Hoffnungen: Zwei von drei Banken glauben, dass sich die neue Verordnung positiv auf ihr Geschäftsmodell auswirken wird. Ein strategisches Potenzial für ihr Institut erkennen 72 Prozent der Befragten.
Die EU strebt mit der Taxonomie unter anderem verbindliche Standards und ein Ende des sogenannten Greenwashings an. Bezüglich der Standards sind sich die Studienteilnehmer einig: 85 Prozent gehen davon aus, dass für die Finanzierung grüner Projekte bzw. Unternehmen oder die Ausgabe von Green Bonds künftig einheitliche Regeln anwendbar sind. Beim Thema Greenwashing herrscht hingegen Skepsis. Mehr als jeder zweite Experte glaubt, dass auch in Zukunft Unternehmen sich oder ihre Produkte mit einem grünen Image schmücken können, obwohl dies nicht gerechtfertigt ist. Ein positiver Impact wird trotzdem erwartet: Drei von vier gehen davon aus, dass dank der EU-Taxonomie Kapitalströme in nachhaltige Aktivitäten gelenkt werden.
»Dem Finanzsektor wird bei den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu Recht eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Banken und Investoren haben mit der bewussten und zielgerichteten Steuerung von Geldströmen einen enormen Einfluss auf die nachhaltige Transformation der Gesamtwirtschaft und vieler gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Kernstück des EU-Aktionsplans für Nachhaltigkeit ist die Etablierung eines einheitlichen Klassifikationssystems, um den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition messen zu können«, sagt Dr. Stefan Hirschmann, Mitglied der Geschäftsleitung der VÖB-Service GmbH. Der Bankenexperte rät zu einer zeitnahen Umsetzung der Anforderungen, da »die Taxonomie schrittweise in die EU-Rechtsvorschriften integriert wird. Eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Regularie ist deshalb unumgänglich.«