04.12.2019
Im Fahrwasser einer boomenden Konjunktur und niedriger Zinsen blieben viele potenziell problematische Kredite jahrelang unentdeckt. Jetzt bereiten sich Banken verstärkt auf Zahlungsausfälle vor. Aber die bisher gebräuchlichen Risikoanalysen sind dem aktuellen dynamischen Umfeld nicht mehr gewachsen, zeigen Marktbeobachtungen von Cofinpro. Die auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberater empfehlen stattdessen den Einsatz KI-basierter Systeme.
»Ohne die herausragende konjunkturelle Entwicklung hätten seit 2010 deutlich mehr Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten müssen«, sagt Alexander Christau, Manager bei Cofinpro. Aber angesichts einer konjunkturellen Abkühlung warnt der Kreditspezialist jetzt: »In den Banken baut sich ein Spannungsfeld auf, weil jahrelang großzügig Kredite vergeben wurden und eine steigende Zahl von Kreditnehmern in absehbarer Zeit auf Liquiditätsengpässe zusteuert.«
Das Gefahrenpotenzial für die Finanzwirtschaft ist riesig: In den vergangenen fünf Jahren stieg das Volumen der insgesamt in Deutschland an Privatpersonen vergebenen Kredite von 1,06 Billionen Euro (2013) auf 1,23 Billionen Euro (2018) – ein Anstieg von 16 Prozent. Allein im vergangenen Jahr belief sich die Summe der neu vergebenen Konsumentenkredite auf knapp über 100 Milliarden Euro.
Auch EZB-Bankenaufseher Andrea Enria warnt vor einer Zunahme fauler Darlehen. Seinen Berechnungen zufolge summieren sich in der Euro-Zone die ausfallgefährdeten Kredite auf 580 Milliarden Euro. Angesichts des großen Risikos fordert Enria die Banken deshalb auf, ihre Kreditvergabestandards zu überdenken.
Die Kreditwirtschaft steht nun verstärkt unter Druck, treffsichere Frühwarnsysteme einzusetzen, um ausfallgefährdete Darlehen zu erkennen, noch bevor der Kreditnehmer in Verzug gerät. Möglich wird dies mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Bislang ist diese Technologie vornehmlich im Investment, Vertrieb und Kundenservice im Einsatz. Nun müssen sich die Banken der KI-Einführung im Risikomanagement öffnen, und das haben sie auch erkannt.
KI-basierte Systeme erkennen Muster und Zusammenhänge schneller und treffsicherer, als dies mit den bisherigen Methoden der Datenverarbeitung und -analyse möglich ist. Denn traditionell wurden vornehmlich Unternehmens-Kennzahlen aus der Vergangenheit für Prognosen genutzt. Aufgrund der unübersichtlichen, manuellen Bearbeitungsmethoden blieben die Datensätze in ihrer Größe und Komplexität jedoch begrenzt. Anders die KI-Prognosen: Je umfangreicher, größer und genauer die zur Verfügung stehenden Daten, desto besser werden die Vorhersagen. Die neuen Systeme erfassen auch Querverbindungen und Kausalketten. Statt lediglich Informationen zu einem einzelnen Unternehmen zu verarbeiten, werden ganze Branchen bzw. auch die weltweite Konjunkturentwicklung untersucht. Die gesamte Wertschöpfungskette vom Hersteller über verschiedene Zulieferer und Rohstofflieferanten wird durchleuchtet. Mit einem rein manuellen Prozess ist diese komplexe Aufgabe nicht zu bewältigen. Christau zufolge ist die KI in der Kreditanalyse eine optimale Anwendung, weil für die Berechnung des Ausfallrisikos alternative Daten eingebunden werden können, um Abhängigkeiten zu erkennen und Auswirkungen zwischen unterschiedlichen Daten zu prognostizieren.