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Machine Learning in Banken: Auf die Euphorie folgt Ernüchterung

30.08.2022

Die hohen Erwartungen der Finanzdienstleister an Machine Learning erfüllen sich bisher nicht. Der Grund: Vielen Instituten fehlen die richtigen Voraussetzungen. Vor allem eine hochwertige, qualitative Datengrundlage bereitet Probleme. Das zeigen Marktanalysen und eine Expertenbefragung der Unternehmensberatung Cofinpro.

Viele Projekte zielen auf die Prozessautomatisierung und Hebung von Kosteneffizienzen ab. Banken und KVGen wollen so beispielsweise Prozesse bei der Abwicklung von Ratenkrediten optimieren. Ihnen bietet sich gleichzeitig mit Hilfe von Machine Learning auch die Möglichkeit, neue Entscheidungsmuster zu erkennen und die Kreditausfallwahrscheinlichkeit besser zu berechnen“, erklärt Lars Kellinghausen, Manager bei der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro. Weitere wichtige Anwendungsbereiche sind unter anderem Fraud-Detection, Betrugsprävention und die Auswertung von unstrukturierten Daten.

„Finanzdienstleister sind prädestiniert für den Einsatz von Machine Learning. Die Technologie ermöglicht es, erhebliche Effizienzpotenziale zu heben oder präzise Prognosen zu ermöglichen. Aber noch stockt die operative Umsetzung“, so Sarah Menz, Expert Consultant bei Cofinpro.  Dies liegt vor allem an den Daten, die nicht optimal aufbereitet sind. „Wenn die Daten nicht im richtigen Format oder ohne Bezugspunkte zueinander vorliegen, erschwert dies die Aufbereitung für eine maschinelle Analyse erheblich. Zudem müssen die Daten in ausreichender Quantität vorliegen. Ein weiteres Problem: Für die ersten Versuche werden oft ungeeignete Anwendungsfälle gewählt. Und so folgt auf die Euphorie Ernüchterung, weil viele Versprechen nicht eingelöst werden.“

Die Cofinpro-Experten haben im Rahmen einer Marktanalyse einen Handlungsleitfaden zu Machine Learning mit sechs zentralen Empfehlungen zusammengefasst:

  • Im Kleinen anfangen
    Lieber mit einem überschaubaren Anwendungsfall starten und sich mit der Technologie vertraut machen, statt von Anfang an auf den Big Bang zu setzen. Die erzielten Quick Wins können dann iterativ ausgebaut werden.
  • Die richtigen Anwendungsfälle finden
    Machine Learning ist keine Universallösung, sondern ein Werkzeug für passende Probleme. Die Wahl geeigneter Anwendungsfälle sollte daher kritisch geprüft werden, ansonsten drohen erhöhte Kosten, Komplexität und Fehleranfälligkeit. Am besten ist es, zunächst bestehende Anwendungsfälle anzupassen.
  • Daten, Daten, Daten
    Quantität und Qualität der Daten, mit denen der Algorithmus gefüttert wird, sind entscheidend für gute Ergebnisse. Das Datenmanagement hat deshalb oberste Priorität, da sonst falsche Schlussfolgerungen gezogen werden.
  • Übermut bremsen
    Vor dem Start prüfen, ob im Unternehmen die erforderlichen Ressourcen vorhanden sind und genügend Spezialisten das Projekt begleiten können. Dazu gehört auch fachliches Expertenwissen. Damit der erste Aufschlag trifft, ist externe Hilfe häufig sinnvoll.
  • Langfristig denken
    Machine-Learning-Anwendungen reifen mit der Zeit. Vom Prototypenstadium bis zum verlässlichen Problemlöser kann es ein weiter Weg sein. Durch kontinuierliches Testen, Trainieren und Einführen neuer Modelle verbessern sich die Ergebnisse beständig.
  • Offen bleiben für Bewährtes
    Machine Learning ist eine Zukunftstechnologie und kann Teilbereiche der Branche revolutionieren. Aber traditionelle, einfachere Analysemethoden sind für manche Anwendungen immer noch besser und effizienter. Machine Learning sollte nur für einen passgenauen Use-Case angewendet werden.

Vom Buzzword zum Standardwerkzeug

Für die Zukunft der Technologie sind die Branchenexperten optimistisch gestimmt. Consultant Kellinghausen sagt: „Noch ist Machine Learning eine Technologie mit erheblichem Potenzial, die jetzt bereits für einzelne Zwecke zielgerichtet eingesetzt wird. Langfristig wird sich die Technologie aber als eine Lösung unter vielen im Standardwerkzeugkasten jeder Bank durchsetzen. Bis dahin besteht für die Institute das Potenzial, sich vom Wettbewerb zu differenzieren.“